Arbeitswelt.Plus Summit: Unternehmen aus OWL liegen bei KI bundesweit vorn
Ein Schichtplan, der sich selbst organisiert. Ein Algorithmus, der schmutzige Wäsche erkennt. Und eine Kamera, die überprüft, ob Muster richtig geklebt wurden. Was vor ein paar Jahren noch wie Zukunftstechnologie wirkte, ist in OWL heute Alltag. Beim Arbeitswelt.Plus Summit mit über 250 Teilnehmenden in Bielefeld haben Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus der Region gezeigt, wie Künstliche Intelligenz (KI) in der Praxis funktioniert und warum viele Betriebe in OWL beim Einsatz von KI deutschlandweit inzwischen vorn liegen.
„Wir sehen KI nicht als Ersatz, sondern als Unterstützung für den Menschen. Ziel ist es, Arbeitsprozesse zu entlasten, nicht zu ersetzen. Mit dem Kompetenzzentrum Arbeitswelt.Plus wollen wir bundesweit Vorreiter und Wegbereiter für eine menschengerechte Gestaltung von KI in der Arbeitswelt sein“, sagt Prof. Dr. Roman Dumitrescu, Geschäftsführer des Technologie-Netzwerks it’s OWL.
Er leitet das von it’s OWL initiierte und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Kompetenzzentrum Arbeitswelt.Plus, das Unternehmen, Hochschulen und die IG Metall zusammenbringt. Gemeinsam entwickeln sie Lösungen zur Verbesserung der Arbeitsplatzgestaltung, Kompetenzvermittlung und Einbindung der Beschäftigten.
Miele testet KI in der Schichtplanung
Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigt ein aktuelles Pilotprojekt beim Hausgerätehersteller Miele. Im Werk Oelde wird derzeit eine KI-gestützte Schichtplanung erprobt, die bei kurzfristigen Änderungen oder Ausfällen effizientere Abläufe ermöglichen soll. Dies ist eines von mehreren Projekten des Gütersloher Hausgeräteherstellers im Bereich Künstliche Intelligenz, bei dem die Mitarbeitenden mitgenommen werden müssen.
„Wir sehen KI als Chance, denn sie ersetzt keine Menschen – sie ersetzt Aufgaben. Jobprofile verändern sich, manche Aufgaben fallen weg, aber neue Rollen entstehen. Daher werden zukünftig die Themen Upskilling und Reskilling der Mitarbeitenden von entscheidender Bedeutung sein“, sagt Rebecca Steinhage, Mitglied der Geschäftsleitung.

Unternehmen in OWL liegen bei KI bundesweit vorn
Wie Miele sind viele Unternehmen aus OstWestfalenLippe beim Einsatz von KI deutlich weiter als andere in Deutschland. Dies zeigt eine aktuelle Erhebung der Universität Paderborn. Die Befragung, die im ersten Quartal 2025 im Rahmen von Arbeitswelt.Plus durchgeführt wurde, basiert auf Rückmeldungen von 241 Beschäftigten, Personalverantwortlichen und Führungskräften.
„In unserer Befragung gaben 62 Prozent der Unternehmen an, KI einzusetzen. Damit sind die Betriebe aus dem Netzwerk von it’s OWL bundesweit Vorreiter bei der Einführung von KI“, sagt Prof. Dr. Kirsten Thommes, die an der Universität Paderborn zum Thema Change Management forscht.
„In unserer Befragung gaben 62 Prozent der Unternehmen an, KI einzusetzen. Damit sind die Betriebe aus dem Netzwerk von it’s OWL bundesweit Vorreiter bei der Einführung von KI.“– Prof. Dr. Kirsten Thommes, Universität Paderborn
Zum Vergleich: Laut Statistischem Bundesamt setzten 2024 nur 48 Prozent der Großunternehmen in Deutschland (ab 250 Beschäftigten) KI ein. Über alle Unternehmensgrößen hinweg nutzten sogar nur 20 Prozent KI.
Häufigster Grund für die Zurückhaltung beim KI-Einsatz ist fehlendes Wissen. „Bei der Einführung neuer Technologien können Mitarbeitende und Führungskräfte häufig schwer die Nützlichkeit und die Komplexität der Technologie einschätzen“, sagt Thommes. Das könne sich unter anderem durch den Austausch mit anderen Unternehmen ändern.

„Unsere Studie zeigt: Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema KI und den Austausch im Netzwerk von it’s OWL und Arbeitswelt.Plus fällt es Beschäftigten und Führungskräften leichter, den Technologieeinsatz realistisch einzuschätzen“, sagt Thommes. Das ergebnisoffene Beschäftigen mit dem Thema versetze Unternehmen in die Lage, fundiertere Entscheidungen zu treffen.
Sortieren ohne Anfassen: Kannegiesser zeigt, wie’s geht
Bereits entschieden für den praktischen Einsatz von KI hat sich der Wäschereitechnik-Spezialist Kannegiesser aus Vlotho. Gemeinsam mit der Universität Bielefeld hat das Unternehmen im Rahmen von Arbeitswelt.Plus an einem System gearbeitet, das verschmutzte Wäsche automatisch erkennt und sortiert, eine Aufgabe, die bisher mit körperlicher Belastung und hygienischen Risiken verbunden war.
„Aus diesem Grund haben wir aufbauend auf einer vorhandenen automatischen Maschine zur Wäschesortierung zusammen mit der Universität Bielefeld eine Lösung zur Schmutzwäschesortierung entwickelt, die primär auf Kamerabilder und künstlicher Intelligenz basiert“, sagt Dr. Mathias Wöhler von der Herbert Kannegiesser GmbH.
Die KI wurde mit knapp 10.000 Bildern trainiert und kann Kleidungsstücke anhand von Farbe, Typ, Verschmutzungsgrad, Schäden und Waschtemperatur zuordnen.
„Unser Demonstrator zeigt, dass neun von zehn Test-Wäschestücke richtig kategorisiert werden, wodurch ein direkter Kontakt der Mitarbeiter:innen mit diesen vermieden werden kann. In einem nächsten Schritt sollte die KI direkt in einer Wäscherei angelernt werden, um möglichst automatisiert und schneller Daten aufnehmen und annotieren zu können“, sagt Nico Rabethge vom Forschungsinstitut für Kognition und Robotik (CoR-Lab) der Universität Bielefeld.
Diesen Schritt will Kannegiesser gehen. Derzeit testet das Unternehmen einen Prototyp und letzte Erprobungen in einer Nullserie folgen, bevor die Serienproduktion beginnt.

KI und Kamera statt Klebefehler
An den Erkenntnissen aus dem Projekt mit Kannegiesser partizipieren auch weitere Unternehmen wie die IP Adelt GmbH. Das Unternehmen entwirft und produziert seit über 65 Jahren individuelle Werbe- und Präsentationsmittel. Ein Produktbereich ist die Fertigung von Musterkoffern und Mustermappen. Dabei werden große Stücke der Original-Materialien wie Teppichrollen klein geschnitten und an die passenden Stellen in die Bemusterungs-Lösung eingeklebt. Bei einer Auflage von 250 bis 5000 Musterbögen ist das sehr fehleranfällig, da die Muster und Farben sich teils nur minimal unterscheiden und das Muster nur ein kleines Teilstück des Original-Materials abbildet.
Fehler sind jedoch kritisch, da der Endkunde in diesem Fall Ware bestellen könnte, die so nicht gewünscht wurde. Ein weiterer Faktor ist der benötigte physische Aufwand, der beim Heben der Rohmaterialien und beim Kleben jedes Musterausschnittes anfällt. Hinzu kommen noch die Wechsel der Auflagen sowie die Anzahl der Arbeitsschritte, welche einen Einfluss auf die Konzentration haben.
IP Adelt möchte daher mit Unterstützung der Universität Bielefeld die Qualität bei der Herstellung von Musterpräsentationsmaterialien verbessern, indem verschiedene KI-Methoden eingesetzt werden.
Derzeit erfolgt die Beklebung der Materialien manuell, was zu Fehlern führen kann. Eine mögliche Lösung besteht darin, eine unterstützende kamerabasierte Überprüfung einzuführen, die feststellen kann, ob die Muster richtig zugeordnet wurden.
„Mithilfe der KI-Lösung, die wir im Kompetenzzentrum entwickeln, wollen wir nicht nur die hohe Qualität unserer Musterbögen sicherstellen, sondern auch verbesserte Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeitenden schaffen“, sagt Geschäftsführer Eric Adelt.
OWL als Testfeld für KI in der Arbeitswelt
Neben diesen Praxisbeispielen präsentierten weitere Unternehmen – darunter Dr. Oetker, Lenze, NTT DATA, Wago und Weidmüller – ihre KI-Anwendungen und die Zusammenarbeit mit Gewerkschaftspartnern.
Das Kompetenzzentrum Arbeitswelt.Plus zählt mit acht Leuchtturmprojekten zu den größten Initiativen dieser Art in Deutschland. Ziel ist es, Lösungen für den Mittelstand zu entwickeln, praxisnah, bezahlbar und menschengerecht.