AI4WorkPlan: KI reduziert Mehrarbeit in der Fertigung bei ELHA
Bei ELHA Maschinenbau Liemke KG, einem Hersteller von Sondermaschinen für die Großserienfertigung, war die Situation typisch für viele Fertigungsbetriebe: Unvorhergesehene Serviceeinsätze, plötzliche Eilaufträge und Terminverschiebungen führten regelmäßig zu Störungen im Fertigungsablauf. Die Folge waren Belastungsspitzen und Überstunden, die sich vor allem in Nachtarbeit und Samstagsdiensten niederschlugen.
Herausforderung
Eilaufträge und unvorhersehbare Ereignisse führten in der Produktion zu Belastungsspitzen, Überstunden und Samstagsarbeit, was von den Beschäftigten als belastend empfunden wurde.
Lösung
Ein KI-gestütztes Assistenzsystem für die Beschäftigten zeigt die Auslastung und ermöglicht eine präzisere Kapazitätsplanung.
Mehrwert
Die Ursachen für Mehrarbeit wurden identifiziert, sodass ELHA geeignete Gegenmaßnahmen für eine effizientere Produktionsplanung ergreifen und die Mitarbeitenden entlasten kann.
Warum Mehrarbeit ein ernstzunehmendes Problem ist
Mehrarbeit stellt in der industriellen Fertigung nicht nur eine betriebswirtschaftliche Herausforderung dar, sondern auch ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Beschäftigte. Studien belegen Zusammenhänge mit Erschöpfung, depressiven Symptomen und erhöhten Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gleichzeitig sinkt die Produktivität, sobald Überstunden zur Regel werden.
Gerade in der Fertigung führen ungeplante Ereignisse oft zu einem Dominoeffekt. Ohne eine flexible und intelligente Planung bleibt oft nur die Option, die Mehrarbeit auf das Personal zu verteilen– Daniel Hörster von ELHA Maschinenbau
Ansatz: Künstliche Intelligenz analysiert Ursachen und Muster von Mehrarbeit
Das it’s OWL Projekt „Intelligente Arbeitsplanung zur Prävention von Mehrarbeit durch KI“ hatte das Ziel, Mehrarbeit systematisch zu reduzieren. Gemeinsam mit der Hochschule Bielefeld und der MODUS Consult GmbH setzte ELHA auf datenbasierte Methoden, insbesondere maschinelles Lernen.
Dazu wurden zunächst historische Fertigungs- und Buchungsdaten bereinigt, verknüpft und ausgewertet. Ein Fokus lag darauf, Eilaufträge zu identifizieren und zu kategorisieren, um deren Auswirkungen auf die Mehrarbeit zu quantifizieren. Besonders wichtig war die Definition von Mehrarbeit selbst: Im Kontext des Projekts galt Arbeit nach 22:15 Uhr sowie Arbeit an Samstagen als Indikator für zusätzliche Belastung.
Die große Herausforderung besteht darin, aus sehr heterogenen und teilweise unvollständigen Daten robuste Modelle zu entwickeln, die verlässliche Aussagen ermöglichen. Datenlücken sind kein Ausschlusskriterium. Mit geeigneten Plausibilitätsprüfungen lässt sich trotzdem eine solide Datenbasis schaffen.– Marvin Schöne, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hochschule Bielefeld
Erkenntnisse: Wo Mehrarbeit entsteht – und wie man ihr begegnet
Die Analysen zeigten ein differenziertes Bild: Die Hälfte der Überstunden konzentrierte sich auf etwa zehn Prozent der Arbeitsstationen. Diese Erkenntnis liefert einen klaren Hebel für gezielte Optimierungsmaßnahmen.
Eine weitere wesentliche Ursache war die Abweichung zwischen geplanten und tatsächlichen Bearbeitungszeiten. Während an einigen Arbeitsstationen die Planungen relativ exakt waren, wichen die tatsächlichen Zeiten an anderen Stationen systematisch ab.
„Diese Analysen machen sichtbar, dass Präzision bei Planzeiten der Schlüssel zur Reduktion von Mehrarbeit ist,“ erklärt Martin Kohlhase, Professor an der Hochschule Bielefeld, der das Projekt leitete. „Denn je besser die Planwerte, desto stabiler läuft die Fertigung und desto seltener braucht es Überstunden als Puffer.“
Innovation: Prozessgraphen als Werkzeug für eine dynamische Planung
Ein innovativer Bestandteil des Projekts war die Nutzung sogenannter Prozessgraphen. Diese stellen Fertigungsabläufe als Netzwerke von Arbeitsstationen und Übergängen dar. Über Knotengröße, Kantenstärke und Farben werden dabei unter anderem Häufigkeiten, Durchlaufzeiten und Liegezeiten visualisiert.
Solche Graphen ermöglichen es, kritische Pfade in Produktionsprozessen zu identifizieren und deren Auswirkungen auf die Gesamtfertigung zu simulieren. Damit lassen sich Fragen beantworten wie: Welche Verzögerung an einer Station löst welche Kaskadeneffekte im Gesamtprozess aus? Wo entstehen versteckte Engpässe?
Prozessgraphen sind ein mächtiges Werkzeug. Sie ermöglichen es, nicht nur reaktiv zu planen, sondern Szenarien durchzuspielen, bevor Probleme entstehen.– Martin Kohlhase, Professor an der Hochschule Bielefeld
Auf dem Weg zu einem intelligenten Assistenzsystem
Das Transferprojekt zeigt, dass es auch unter herausfordernden Bedingungen möglich ist, belastbare Informationen über die Entstehung von Mehrarbeit zu gewinnen. Damit wird eine Grundlage geschaffen, Planungsprozesse künftig dynamischer zu gestalten.
Langfristig könnte die Lösung in ein intelligentes Assistenzsystem münden, das aus historischen Daten lernt und in Echtzeit Vorschläge für eine optimierte Produktionsplanung liefert. Ziel ist es, Planer:innen nicht zu ersetzen, sondern sie mit präzisen Kennzahlen und Vorhersagen zu unterstützen, damit Überstunden seltener notwendig werden.
Unsere Vision ist ein System, das Engpässe erkennt, bevor sie entstehen, und alternative Planungsvorschläge liefert. Das ist nicht nur ein Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit, sondern vor allem zur Entlastung der Menschen in der Produktion.– Daniel Hörster, ELHA Maschinenbau