GfA Frühjahrskongress: Hotspot der Arbeitswissenschaft
Unter dem Motto »Arbeitswissenschaft in-the-loop« tauschte sich die interdisziplinäre Community der Arbeitswissenschaft in Deutschland beim 70. Frühjahrskongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA) in Stuttgart zu aktuellen Erkenntnissen und Forschungsideen aus. Der GfA-Kongress ist die größte wissenschaftliche Fachkonferenz der Arbeitsforschung im deutschsprachigen Raum.
»Wir müssen in Zukunft Arbeit und Innovation zusammen denken und als eine Aufgabe verstehen. Wir brauchen Szenarien und innovative Lösungen, die aufzeigen, wie Arbeit als Kollaboration von Mensch und Technologie aussehen wird« betonte Katharina Hölzle, Leiterin des Instituts für Arbeitswissenschaft IAT der Universität Stuttgart sowie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, in ihrer Keynote. Angesichts der Potenziale von Generativer Künstlicher Intelligenz als ein neuer Akteur im Arbeitssystem, der Entwicklung des Metaversums als Ort der Mensch-KI-Kollaboration sowie des Fachkräftemangels sei es notwendig, Arbeit in offenen und dynamischen Arbeitsökosystemen zu denken. Dabei sei die Menschzentrierung erfolgskritisch, um durch lernförderliche Arbeitsbedingungen und sinnhaft empfundene Arbeitsziele individuelle Motivations- und Kreativitätspotenziale zu aktivieren. Angesichts des technologischen Fortschritts und gesellschaftlicher Entwicklungen sei es vornehmliche Aufgabe der Arbeitswissenschaft, die Arbeit menschengerecht, produktiv und ressourceneffizient zu gestalten.
Wir müssen in Zukunft Arbeit und Innovation zusammen denken und als eine Aufgabe verstehen. Wir brauchen Szenarien und innovative Lösungen, die aufzeigen, wie Arbeit als Kollaboration von Mensch und Technologie aussehen wird.– Prof. Dr. Katharina Hölzle, Leiterin Institut für Arbeitswissenschaft IAT der Universität Stuttgart sowie Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO
Arbeitswissenschaft als interdisziplinärer Ansatz
Die Gesellschaft für Arbeitswissenschaft (GfA) vereint Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Praxis sowie Behörden und Verbänden, die sich zur Zukunft der Arbeitsforschung austauschen. Der Präsident der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft, Martin Schmauder (Professur für Arbeitswissenschaft der TU Dresden), stellte den interdisziplinären Ansatz der Arbeitswissenschaft heraus: „Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz, in dem Mensch, Technik und Organisation berücksichtigt werden, kann die Zukunft der Arbeit wirtschaftlich und human gestaltet werden. ‚Arbeit‘ als Forschungsgegenstand hat eine hohe Dynamik und es zeigt sich, dass in der betrieblichen Praxis ein hoher Bedarf an gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zur Gestaltung der Arbeit besteht.“ Viele Beiträge zeigten, dass die Arbeitswissenschaft ein attraktives und herausforderndes Forschungsgebiet ist.
Erstmalig hat die GfA in diesem Jahr den Best-Young-Scientist Award ausgelobt, der den Gewinnerinnen und Gewinnern die Möglichkeit bietet, an der Jahreskonferenz der International Ergonomics Association (IEA) in 2025 in Südkorea teilzunehmen. Zugleich trafen sich die Forscherinnen und Forscher aus dem Netzwerk der „Regionalen Kompetenzzentren der Arbeitsforschung“ und stellten ihre Arbeitsergebnisse zur Diskussion.
Abwechslungsreiches Programm über die gesamte Bandbreite der Arbeitsforschung
Mit Keynotes, Fachvorträgen, interaktiven Workshops, einer Doktorandenwerkstatt, dem Marktplatz der »Regionalen Kompetenzzentren der Arbeitsforschung«, Posterpräsentationen sowie einer Exkursion in ausgewählte Labore auf dem Fraunhofer-Campus erlebten die Kongressteilnehmenden ein abwechslungsreiches Programm über die gesamte Bandbreite der Arbeitsforschung. Neben dem derzeit alles beherrschenden Thema „Künstliche Intelligenz“ stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in über 175 Vorträgen ihre Forschungsarbeiten zu zahlreichen weiteren Themen vor.
So gaben Dominik Bentler (Universität Bielefeld), Nina Mauritz & Malte Wattenberg (Hochschule Bielefeld), Prof. Dr. Benedikt Latos (TH OWL) und Stefan Gabriel (Fraunhofer IEM) in einer gemeinsamen Session Einblicke in die Arbeitsforschung im Kompetenzzentrum – insbesondere am Beispiel mehrerer Leuchtturmprojekte mit Unternehmen wie Kannegiesser und Weidmüller innerhalb des Spitzenclusters it’s OWL. Dominik Bentler, Oliver Dietrich (IG Metall) und Stefan Gabriel diskutierten anhand des Leuchtturmprojekts „Intelligente Personaleinsatzplanung“ mit dem Unternehmen Miele die humanzentrierte Gestaltung von KI unter der aktiven Mitgestaltung durch die Vertreter:innen des Betriebsrats, beispielsweise durch die Formulierung von KI-Kriterien.
Nur durch einen ganzheitlichen Ansatz, in dem Mensch, Technik und Organisation berücksichtigt werden, kann die Zukunft der Arbeit wirtschaftlich und human gestaltet werden.– Prof. Dr.-Ing. Martin Schmauder, Präsident der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft sowie Professor für Arbeitswissenschaft der TU Dresden
Praxisnähe und Wissenstransfer erhöhen Akzeptanz für Veränderungen
Ein Highlight war die Dinner-Speech des ehemaligen IG-Metall-Bezirksvorsitzenden Roman Zitzelsberger, der sein Amt zum 1. März 2024 abgegeben hat. Er sieht Arbeit als eine Form der Veränderung. Vor diesem Hintergrund bekannte er sich als Freund generativer KI-Technologien und sieht diese als Chance, Arbeit besser zu gestalten. „Wir müssen neue Formen der Arbeit greifbar machen“ appellierte er, nur so könne man Akzeptanz für die Veränderungen schaffen. Um genau diesen Transfer der Forschungsergebnisse in die betriebliche Praxis umzusetzen, waren bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Neue Perspektiven und Anforderungen an die Arbeitswissenschaft“ Unternehmensvertreter dazu eingeladen, ihre Wünsche an die Arbeitswissenschaft zu formulieren. Dr. Lorenz Hagenmeyer (VP Organizational Development, Robert Bosch GmbH), Martin Kimmich (VP Human Resources, Festo SE & Co. KG), Helmut Link (Geschäftsführender Gesellschafter, Interstuhl Büromöbel GmbH & Co KG) und David Reger (CEO, Neura Robotics GmbH) waren sich einig darin, dass die Nähe zur Praxis, die Möglichkeit, auch kurzfristig Lösungen umzusetzen sowie die Menschzentriertheit ganz oben auf ihrer Wunschliste stehen. Auf dem Weg zu agilen Arbeitsweisen und zur betrieblichen Leistungsführerschaft sei die Entfaltung der menschlichen Initiative unabdingbar. Noch nie sei die Bedeutung einer menschengerechten Arbeitsgestaltung höher gewesen als heute, meinte Neura Robotics CEO Reger, weil nur so eine Technikakzeptanz für einen umfassenden Robotereinsatz auch in der Home Sphere zu erreichen sei.
Bei der abschließenden Exkursion auf den Fraunhofer-Campus erhielten die Teilnehmenden Einblicke in das Future Work Lab, den Fahrsimulator und das NeuroLab am Fraunhofer IAO, das Roboter-Versuchsfeld und das Ergonomielabor am Fraunhofer IPA sowie den Freifeldraum („schalltoter Raum“) am Fraunhofer IBP.
Der nächste Frühjahrskongress der GfA findet von 25. bis 27. März 2025 in Aachen statt.