KI-Software unterstützt bei Servicefällen: Konsortium aus Wissenschaft und Industrie entwickelt intelligenten Assistenten für Weidmüller

In der Fertigung zählt jede Minute. Mitarbeiter:innen verlieren oft wertvolle Zeit, wenn Informationen zur Inbetriebnahme, zu Abläufen oder zur Lösung von Problemen nicht sofort verfügbar sind. Im Rahmen eines Leuchtturmprojekts hat das Elektro- und Verbindungstechnikunternehmen Weidmüller gemeinsam mit Partnern ein digitales Assistenzsystem entwickelt, das situationsrelevante Inhalte direkt am Arbeitsplatz bereitstellt. Es unterstützt gezielt, fördert eigenständiges Handeln und hilft dabei, neue Fähigkeiten schneller zu erlernen.

„Im Schaltschrankbau kommen heute vermehrt Hilfskräfte in verschiedenen Fertigungsschritten zum Einsatz – oft mit stark unterschiedlichem Erfahrungsniveau. Das neu entwickelte System stellt relevantes Wissen gezielt bereit und erleichtert Mitarbeiter:innen den sicheren und effizienten Umgang mit unseren Maschinen“, sagt Luca Isenberg, Product Manager bei Weidmüller.

Weidmüller bietet im Schaltschrankbau eine große Bandbreite technischer Lösungen an – von Handwerkzeugen, über Drucksysteme bis hin zu automatisierten Maschinen zur Bestückung und Beschriftung. Auch wenn diese Systeme grundsätzlich auf einfache Bedienung ausgelegt sind, gibt es immer wieder Situationen, die während des Betriebs auftreten. Dies können zum Beispiel Fragen zur Softwarebedienung, zur Wartung und Instandhaltung oder zur Lösung ungeplanter Situationen sein. Besonders Mitarbeiter:innen auf Kundenseite mit weniger Erfahrung benötigen in solchen Fällen Unterstützung durch den technischen Support des Herstellers.

Unser Ziel war es eine Lösung zu schaffen, die jegliche Mitarbeiter:innen in der Fertigung befähigt, eigenständig die Maschinen zu bedienen. Von der Inbetriebnahme bis hin zu eventuellen Servicefällen.
– Dr. Sahar Deppe, Fraunhofer IOSB-INA

Im Leuchtturmprojekt haben die Partner ein KI-basiertes, digitales Assistenzsystem entwickelt, das bei der Bedienung und Wartung des Weidmüller „Klippon© Automated RailAssembler“ und des Weidmüller Wire Processing Centers unterstützt. Der Klippon© Automated RailAssembler ermöglich in Kombination mit der Software „Weidmüller Configurator (WMC)“ die vollautomatische Bestückung von Klemmleisten. Durch die Nutzung der Maschine entfällt das Kommissionieren, Zuordnen und Positionieren einzelner Klemmen. Das Wire Processing Center ist eine modulare, softwaregestützte Lösung zur teilautomatisierten Kabelkonfektionierung, die Prozesse wie Ablängen, Beschriften, Crimpen und Zuordnen effizient miteinander verknüpft und digital steuert.

KI-App hilft bei der Problemlösung – ganz multimedial

Das entwickelte Assistenzsystem basiert auf einer intelligenten Kombination aus mehreren Technologien und funktioniert wie eine App. Zunächst werden Inhalte aus technischen Handbüchern, Anleitungen und Erfahrungswissen automatisch analysiert und in einer strukturierten Wissensbasis abgelegt. Diese Wissensbasis ist als sogenannter Wissensgraph aufgebaut, der Zusammenhänge zwischen Begriffen, Bauteilen und Prozessen sichtbar macht.

Mithilfe von Methoden des Natural Language Processing (NLP) können Anlagenbedienende ihre Anfragen in natürlicher Sprache formulieren oder Fehlercodes eingeben. Die semantische Suche identifiziert relevante Inhalte innerhalb der Wissensbasis und stellt die passenden Informationen bereit – sortiert nach Relevanz.

NLP steht für „Natural Language Processing“ – das bedeutet die Verarbeitung natürlicher Sprache durch Computer. Dahinter steckt moderne Künstliche Intelligenz, die Texte und Sprache so versteht, analysiert und erzeugt, wie wir Menschen sprechen oder schreiben.

Ob Chatbots, automatische Übersetzungen, Spracherkennung oder die Analyse von Kundenmeinungen: NLP hilft dabei, große Mengen an Text oder Sprache schnell und intelligent auszuwerten und vereinfacht die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine.

„Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, die für die Anfrage relevanten Informationen in unterschiedlichen Formaten anzuzeigen – als Text, Bild, Video oder auch in Form von Augmented-Reality-Elementen“, erklärt Gudrun Tschirner-Vinke vom Technologieanbieter Eviden – ein Unternehmen der Atos Gruppe. „So können beispielsweise Arbeitsschritte direkt am realen Objekt eingeblendet werden, was die Verständlichkeit deutlich erhöht.“

Entwicklung gemeinsam mit Anwender:innen

Von Beginn an wurden die späteren Nutzer:innen in die Entwicklung des Systems einbezogen. In Interviews wurden typische Herausforderungen und Wünsche an die Bedienbarkeit aufgenommen. Ein zentrales Ergebnis war der Wunsch nach einer klaren, schrittweisen Anleitung, um Überforderung zu vermeiden.

KI-Assistent könnte bald auch Kund:innen helfen

Für Weidmüller bringt das Assistenzsystem mehrere Vorteile. Stillstandszeiten lassen sich reduzieren, weil die Mitarbeiter:innen schneller Lösungen finden. Gleichzeitig wird Fachwissen im Unternehmen gesichert, auch wenn erfahrene Mitarbeiter:innen ausscheiden.

Gerade in Zeiten, in denen es immer schwieriger wird, Fachkräfte zu finden, ist es wichtig, das vorhandene Wissen so aufzubereiten, dass es für alle zugänglich ist. Das Assistenzsystem hilft, diese Lücke zu schließen.
– Luca Isenberg, Weidmüller

Zudem denkt Weidmüller bereits darüber nach, das System perspektivisch auch in Richtung neuer Dienstleistungen für Kund:innen weiterzuentwickeln. „Wir prüfen, ob wir unseren Kund:innen solche digitalen Services zukünftig anbieten können, um ihnen die Arbeit an unseren Produkten noch weiter zu erleichtern“, so Isenberg.

it’s OWL denkt schon weiter: Übertragbarkeit auf andere Unternehmen und Anwendungsfälle

Die Projektpartner sind überzeugt, dass die entwickelte Lösung nicht nur bei Weidmüller, sondern auch in anderen Anwendungskontexten Nutzen stiften kann – etwa in der Instandhaltung, im Kundendienst oder in der Ausbildung.

„Das Projekt zeigt, wie moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz, semantische Suchverfahren und Augmented Reality konkrete Probleme lösen können“, sagt Kerstin Eller vom it’s OWL Clustermanagement. „Es ist ein Beispiel dafür, wie sich Arbeitswelten verändern, weil Mitarbeiter:innen durch digitale Unterstützung mehr Verantwortung übernehmen und sich sicherer fühlen. Das schafft eine neue Qualität von Arbeit.“

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